Seit Jahrzehnten kommen junge (wie ältere) Menschen aus fast allen Teilen der Welt in Nordrhein-Westfalen an. Im Jahr 2016 waren dies bis Anfang September mehr als 79.000 Menschen. Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten ist in NRW auf über 13.000 gestiegen.
Die Fluchtgründe sind vielfältig. All diese ankommenden jungen Menschen möchten hier lernen, sich ausbilden oder studieren, Arbeit finden, einheimische Menschen kennenlernen und Freundschaften schließen, sich eine Existenz und Familie aufbauen, anerkannt und respektiert werden und vor allem in Sicherheit leben. In ihren Lebenswünschen unterscheiden sie sich nicht von den hier geborenen Jugendlichen. Trotzdem werden einzelne Vorfälle und Gesetzesverstöße von männlichen* geflüchteten Jugendlichen immer wieder in den Medien und der Öffentlichkeit skandalisiert. Hiermit wird rassistischen Verurteilungen Vorschub geleistet.
Dies erschwert zunehmend die Arbeit in allen pädagogischen Feldern der Kinder- und Jugendhilfe, Jugendarbeit und Schule/Schulsozialarbeit und erkennt die bisher gemachten Erfahrungen mit (post-)migrantischen Jugendlichen und deren demokratischen und geschlechtergerechten Haltungen nicht an. Das Unterstützen von Jungen* und jungen Männern* in ihrem Erwachsenwerden ("Mannwerden"), unter den Voraussetzungen der gerade erlebten Fluchterfahrung, ist wichtig. Hier gilt es seitens der Fachkräfte kompetent und reflektiert zu begleiten und gezielt auf individuelle Lebenswelten und den damit verbundenen Lebensplänen einzugehen. Hierfür kann es nötig sein, vorhandene Strukturen, Konzepte und Haltungen zu reflektieren.
Wir nehmen eine grundlegende antirassistische Haltung, welche Diskriminierungen jeglicher Art und undifferenzierte Zuschreibungen gegenüber jungen männlichen* Geflüchteten und neu Ankommenden gänzlich ablehnt, ein und übersetzen diesen Standpunkt in gelingende Praxisvorhaben und Fortbildungsangebote.
Analog zu unserem Verständnis in der geschlechtsbewussten Jungenarbeit, setzen wir einmal mehr den Schwerpunkt auf eine Potential- und Lösungsorientierung und blicken auf die Ressourcen von Jungen* und jungen heranwachsenden Männern* mit Flucht- und Migrationserfahrungen in all ihrer Vielfältigkeit. Wir setzen uns für die Anerkennung einer Verletzbarkeit dieser jungen Menschen ein und fordern diese ernst zu nehmen, ohne sie als pädagogisches Objekt unmündig zu sprechen. Jungen* und junge Männer* mit Flucht und Migrationserfahrungen sollen als aktive Gestalter ihrer eigenen Zukunftsbiographie gesehen und in all ihren Fähigkeiten, Kapazitäten und Wünschen unterstützt werden.