
"Kenough"
Rezension | Reflexion über Männlichkeit und Patriarchat im Film "Barbie"
Von Fachstelle Jungenarbeit NRW e.V.
In "Barbie" (2023) wird die Geschichte von Ken erzählt, einem Neben-Charakter in einer Welt, die von Barbies, also von Frauen, regiert wird. Ken ist zunächst ein eher randständiger Charakter, der immer um die Aufmerksamkeit von Barbie kämpft. Doch als er in die reale Welt gelangt, erlebt er eine Veränderung: Er entdeckt das Patriarchat für sich.
In dieser neuen Welt verkörpert Ken, was viele heute unter dem Begriff "toxische Maskulinität" verstehen. Die Kens übernehmen die Herrschaft und etablieren das Patriarchat im Barbie-Land. Dabei müssen sie sich ständig stark präsentieren und stereotype Hobbys haben, wie Cowboys, Hanteln und große Autos. Sie versuchen, sich über Frauen zu stellen und zeigen eine vermeintliche Überlegenheit in allen Belangen. Ken kann seine Gefühle für Barbie nicht offen zeigen und versteckt sie hinter Gleichgültigkeit
Am Ende des Films wird deutlich, dass das Patriarchat Ken einen hohen Preis abverlangt: Er befindet sich im ständigen Kampf gegen sich selbst, seine Verletzlichkeit und gegen andere Kens, um seine Macht zu sichern.
Der Film schließt mit einem Plädoyer, dass Frauen und Männer sich von Geschlechterrollen lösen und ihre Identität frei entwickeln sollten. Es ist in Ordnung, nicht zu wissen, wer man ist und wo man hingehört, und es ist auch okay, gewöhnlich zu sein.
Auch wenn der Film keine direkte Lösung für das strukturelle Problem des Patriarchats bietet, verdeutlicht er den Auftrag an die Pädagogik, Jungen darin zu unterstützen,
- unabhängig von Geschlechterstereotypen ihre Identität zu entdecken
- ihre Interessen und Gefühle zum Ausdruck zu bringen
- bei Problemen Hilfe aufzusuchen und anzunehmen
In der Jungenarbeit sollten daher Räume geschaffen werden, in denen Jungen über ihre Gefühle und Ängste sprechen können, ohne dass ihnen ein bestimmtes Verhalten aufgrund ihres Geschlechts aufoktroyiert wird. Es ist wichtig, Jungen zu ermutigen, ihre Emotionen zu zeigen und sich von starren Geschlechterrollenbildern zu lösen, um eine gesunde Identitätsentwicklung zu ermöglichen.
Der Songtext aus dem Barbiefilm, gesungen von Ryan Reynolds als Ken, reflektiert tiefe Gefühle der Unsicherheit und Frustration, die der Protagonist erlebt, weil er sich ständig als zweitklassig fühlt. Diese Selbstzweifel und der Mangel an Selbstwertgefühl spiegeln einen Aspekt der männlichen Erfahrung wider, der oft unterrepräsentiert ist - das Bedürfnis nach Anerkennung und Bestätigung, das nicht nur auf der Erfüllung gesellschaftlicher Normen beruht, sondern auch auf emotionaler Verbundenheit und Verständnis.
Die Textpassagen "I'm just Ken, anywhere else I'd be a ten" und "Is it my destiny to live and die a life of blonde fragility?" zeigen, wie Ken seinen Selbstwert mit Leistung, seinem Aussehen und seiner Attraktivität verknüpft. Dies verdeutlicht die gesellschaftlichen Erwartungen an Männer, die oft darauf reduziert werden, wie gut sie in das traditionelle Ideal von Männlichkeit passen. Dazu gehört eine ständige (Selbst)Bewertung in männlich/nicht männlich auf Grundlage von Geschlechterstereotypen sowie ein ständiges Konkurrenz- und Vergleichsdenken.
Ken reflektiert auch über seine emotionale Seite und das Verlangen, von seiner Partnerin als Mann gesehen zu werden. Er sehnt sich danach, geliebt und akzeptiert zu werden, ohne dass seine Maskulinität in Frage gestellt wird. Dies unterstreicht die Bedeutung von emotionaler Intimität und Verletzlichkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen. Ein Thema, das in der Darstellung von Männlichkeit oft vernachlässigt wird.
Insgesamt verdeutlicht der Songtext Kens innere Kämpfe und die Suche nach Identität und Selbstakzeptanz, während er mit den gesellschaftlichen Erwartungen an Männlichkeit konfrontiert wird.