Jungenarbeiter*innen stellen sich vor / Michael Meurer
„Jungen waren und sind immer ein Spiegel meines Selbst“
5 Fragen an... Michael Meurer
Michael Meurer ist freiberuflicher Referent als Feldenkrais-Lehrer, Coach und NLP Trainer, Gewaltberater/Gewaltpädagoge, Familienberater, Ausbilder im organisierten Sport für unterschiedlichste Zielgruppen, "alter Jungvater" und Gründungs- und Vorstandsmitglied der LAG Jungenarbeit NRW. Die Schwerpunktthemen in seinem Berufsalltag sind allgemeine Jungenarbeit, Gesundheit, Gewalt und sexualisierte Gewalt, Kooperation mit frauenparteilichen Organisationen und die Qualifizierung im Kontext junger, unbegleiteter männlicher* Flüchtlinge. Er hat uns fünf Fragen zum Thema "Jungenarbeit" beantwortet...
1) Welche berufliche Station in deiner Laufbahn hat dich mit dem Thema Jungenarbeit verbunden?
Michael Meurer: "Schon während meines Sportstudiums gab es mehrere Impulse sich mit der Geschlechterthematik auseinanderzusetzen: künstlerische Auseinandersetzung zum Thema Gleichberechtigung, Frauennotruf, 'männerbüro köln', ... . Mit Aufnahme meiner Tätigkeit als Jugendbildungsreferent im organisierten Sport war ich in Zusammenarbeit mit feministischen Pädagog*innen sehr stark in die Auseinandersetzung involviert, wie sich geschlechtsbezogene Identitätsentwicklung auf Körper sowie Bewegungs- und Sportverhalten auswirkt. Die einhergehenden Fragen lauteten: Wie arbeiten wir selbst miteinander und vor allem wie lauten die methodisch-didaktischen Konsequenzen, welche Haltung, welchen Blick braucht es auf die teilnehmenden Personen? Im Laufe dreier Jahrzehnte war es die Herausforderung das Thema Jungenarbeit, Koedukation und sexualisierte Gewalt als 'Thema' auf allen Ebenen sichtbar zu machen. Immer."
2) Welche konkrete Praxis aus deiner beruflichen Geschichte ist für dich ein Beispiel für gelingende Jungenarbeit?
Michael Meurer: "Letztendlich, dass das Thema Geschlechtsspezifik, Mädchenarbeit, Jungenarbeit und sexualisierte Gewalt auf allen Ebenen im organisierten Sport etabliert worden ist. Das heißt, es gibt jetzt Konzeptionen, Materialien, Projekte, die die Themen in den unterschiedlichsten Facetten immer wieder aufgreifen und sichtbar machen."
3) Was hast du bei deiner Arbeit von Jungen* gelernt?
Michael Meurer: "Jungen waren und sind immer ein Spiegel meines Selbst. Vor allem habe ich mich immer wieder (neu) kennengelernt, zum Beispiel auf der Ebene meines inneren Jungen ('Stimmt, kenne ich auch, fand ich immer toll, fand ich immer schrecklich...') Als Mentor stolper(t)e ich immer wieder mal gerne in – im Nachhinein offensichtliche – Beziehungsfallen, in dem ich mein Anliegen, mein Bedürfnis, meinen Auftrag zu deren Bedürfnis, zu deren Anliegen machte. Fazit: Wenn ich in meinem Agieren nichts ändere, scheitere ich, zumindest gerate ich in schwieriges Terrain. Nur wenn ich mich selbst 'in innere Distanz' bringe, mich reflektiere, kann ich die Problemsituation lösen, der Junge sagt, was geht. Wenn ich in meinen Grenzen und Wertvorstellungen klar bin, kann der Kontakt zu den Jungen verbindlich und klar sein. Das habe ich gelernt."
4) Was möchtest du anderen pädagogischen Fachkräften mit auf den Weg geben, um sie speziell für die Arbeit mit Jungs* zu motivieren?
Michael Meurer: "Es ist ein Gewinn sich mit Jungen auseinanderzusetzen, denn dies erfordert eine permanente Infragestellung der eigenen Entwicklung auf dem Wege zu einer (männlichen*) Identität. Wenn du wachsen willst, wenn du professionell arbeiten willst, mach es!"
5) Finanzielle und strukturelle Aspekte beiseite - wenn alles möglich wäre, was würdest du dir für dein Arbeitsfeld am dringendsten wünschen?
Michael Meurer: "Nein, finanzielle Aspekte nicht beiseite lassen, sondern so viel finanzielle Mittel zu haben, dass ich 'gute', d.h. fachlich und emotional-sozial kompetente am Thema interessierte Personen unbefristet anstellen kann. Dazu würde ich Referent*innen mit Spezialwissen einladen und adäquat bezahlen. Ich wünschte mir räumliche Bedingungen, in denen all dies realisiert werden kann. Zu guter Letzt würde ich kontinuierlich kurz- und langfristige Projekte bzw. Programme auflegen und weiterentwickeln, bis eine gleichberechtigte und gleichbewertete Gesellschaft entstanden ist. Also quasi morgen. ;-)"
Interview: Verena Waldhoff