Jungenarbeiter*innen stellen sich vor / Susanne Reitemeier-Lohaus
"Kennst du einen Jungen, kennst du einen Jungen*"
5 Fragen an... Susanne Reitemeier-Lohaus
Susanne Reitemeier-Lohaus vom städtischen Jugendzentrum Zitrone in Duisburg hat u.a. die Projektleitung bei HeRoes (Jungs e.V.) und ist Vorstandsmitglied der LAG Jungenarbeit NRW. Sie hat uns fünf Fragen zum Thema "Jungenarbeit" beantwortet...
1) Welche berufliche Station in deiner Laufbahn hat dich mit dem Thema Jungenarbeit verbunden?
Susanne Reitemeier-Lohaus: "Tatsächlich alle Stationen in der Jugendarbeit und zwar von Beginn an – OKJA, Einzelbetreuungen, Projekte, Veranstaltungen. Besonders mein Einstieg in die Offene Jugendarbeit zeigte mir deutlich, dass in unseren pädagogischen Räumen geschlechterreflektiertes Arbeiten als Standard in Teams und beim Träger selbstverständlich sein sollte. Den Aufbau von Jungen*arbeit in Duisburg nah zu erleben und dann Teil von Jungs e.V. sein zu können, war hilfreich für meine Arbeit und deshalb für die Jungen*. Diese Reflexionsräume, besonders auch in den folgenden Jahre als Frau* in der Jungen*arbeit, ermöglichten mir verschiedene pädagogische Gestaltungsräume, welche Jungen* gerecht werden konnten."
2) Welche konkrete Praxis aus deiner beruflichen Geschichte ist für dich ein Beispiel für gelingende Jungenarbeit?
Susanne Reitemeier-Lohaus: "Bevor ich konkrete Praxisprojekte benenne, finde ich wichtig zu betonen, dass Haltung und Sichtweisen zu, auf und mit Jungen* besonders auch im pädagogischen Alltag und Miteinander außerhalb von Projekten und Angeboten nicht nur zu einem Gelingen von Jungen*arbeit beitragen, sondern natürlich auch schon Jungenarbeit* sein sollten/sind. 'Alltagsgeschehen' im pädagogischen Miteinander ist entscheidend und insbesondere auch hier zeigt sich Haltung.
Besonders Jungen*, welche nicht strukturell fest eingebunden sind oder sein wollen, erleichtert unter anderem in diesen 'Zwischenräumen' zuschreibungsfreier und klarer Umgang immer wieder einen guten Kontakt und ermöglicht Beziehung(saufnahme). Zugewandt und offen mit dem Anspruch 'hinter' gezeigtes Verhalten von Jungen zu schauen, ihnen Aufmerksamkeit und gleichzeitig Resonanz zu geben, war immer wieder 'türöffnend'. Besonders fallen mir hierbei über die Jahre viele der erstmal vermeintlich 'schwierigen' Jungen im Jugendzentrum ein.
Auf Projektebene ist es immer wieder grandios mitzuerleben, wie zum Beispiel die Jungen* der Redaktionsgruppe HeRoes bei der Produktion von Videos für meinTestgelände den gebotenen Raum füllen – mit tiefster Auseinandersetzung sie bewegender gesellschaftlicher und/oder sie betreffender Themen und sich dabei in ihrer Vielschichtigkeit kümmernd und/oder anerkennend begegnen können.
3) Was hast du bei deiner Arbeit von Jungen* gelernt?
Susanne Reitemeier-Lohaus: "Zitat: 'Kennst Du einen Jungen*, kennst Du einen Jungen*.' ;-)"
4) Was möchtest du anderen pädagogischen Fachkräften mit auf den Weg geben, um sie speziell für die Arbeit mit Jungs* zu motivieren?
Susanne Reitemeier-Lohaus: "Pädagogische Praxis für und mit Jungen* wird sich neu gestalten, wenn die eigenen Perspektiven auf Jungen* hinterfragt und geschärft werden. Unter anderem geschlechterbewusst und -reflektiert Jungen* wirklich zuzuhören kann für gelingende pädagogische Praxen immens hilfreich sein. Versucht's mal, lohnt sich! :-)"
5) Finanzielle und strukturelle Aspekte beiseite – wenn alles möglich wäre, was würdest du dir für dein Arbeitsfeld am dringendsten wünschen?
Susanne Reitemeier-Lohaus: "Die Wichtigkeit von geschlechterreflektierter Arbeit für befreiende individuelle und gesellschaftliche Prozesse muss stärker fokussiert und als Kernhaltung in (nicht nur) jegliches pädagogisches Feld implementiert werden, beginnend logischerweise in der Ausbildung. Es braucht noch mehr grundlegende Selbstverständlichkeiten geschlechterreflektierter Haltung, intersektional – nicht trennende/spaltende, sondern verbindende Motivationen mit Bewusstsein für Gleichzeitigkeiten. … und wieder mehr Gelassenheit und Humor :-)))"
Interview: Verena Waldhoff