Sonstige Tagungen

Neben "klassischen" Qualifizierungs- und Fortbildungsangeboten hat die Fachstelle Jungenarbeit NRW in den vergangenen Jahren zunehmend auch Fachtage, Fachforen und Werkstattgespräche als offene Veranstaltungsformate etabliert. Diese Formate ermöglichen eine noch stärkere Teilnehmendenorientierung und -beteiligung, da die Teilnehmenden beispielsweise im Anschluss an Impulsvorträge zu bestimmten Themen selbst bestimmen können, welche Fragestellungen und Aspekte sie im weiteren Verlauf noch vertiefen möchten.

Ziel dieser Angebotsformate ist es, die Ressourcen, Kompetenzen und Wissensbestände der Teilnehmenden stärker in die inhaltliche Kontur einer Tagung einfließen zu lassen und einen Austausch auf Augenhöhe zu ermöglichen.

Fachforum

„Freund und Helfer – Jugendhilfe und Polizei im Konflikt?“

Online-Fachforum im Projekt "Irgendwie Hier! Flucht – Migration – Männlichkeiten"

Jugendhilfe und Polizei geraten häufig – meist unfreiwillig – in Kontakt, weil auch die Polizei sich für Jugendliche „interessiert“. Dabei gilt deren Aufmerksamkeit bestimmten jugendlichen Milieus, die als verdächtig konstruiert werden.  Hier entstehen nicht selten Konfliktpotenziale. Für die Jugendhilfe stellt sich die Frage, inwieweit eine Kooperation mit der Polizei Chancen bietet und wo Grenzen der Zusammenarbeit liegen.  

Die Jugendhilfe braucht eine klare Positionierung zur Sicherung des eigenen Mandates und eine Haltung im Sinne des Schutzes der Jugendlichen. Doch wie wird darüber eine Einigung hergestellt, wo wird sie formuliert und wann gelingt es sie durchzusetzen? 

Prof. Dr. Norbert Pütter gibt uns im Rahmen eines Vortrages einen Überblick über Chancen und Grenzen der Kooperation von Jugendhilfe und Polizei. 

Im Anschluss beleuchten wir in einem Podium mit Dr. Michael Tunç, Jonas Lang und Mohammed Jouni die Haltungsperspektiven von Jugendhilfe in den Bereichen Prävention, Intervention, Aktion. 

In Kleingruppen möchten wir diese Themen im Anschluss auf unsere eigene Praxis beziehen und konkrete Handlungsspielräume besprechen. 

 

Prävention

Wenn Jungen* und jungen Männern* mit Fluchtgeschichte in den vergangenen Jahren pädagogische Angebote gemacht wurden, folgten diese in der Regel einem einseitigen Paradigma von Prävention, insbesondere in den Bereichen religiöser Extremismus und sexualisierte Gewalt. Obwohl ihnen als Zielgruppe von Jugendhilfe versprochen wird, sie in ihrer individuellen Entwicklung zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen, sie vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen und dazu beizutragen, ihnen positive Lebensbedingungen zu schaffen, werden junge geflüchtete Männer* in vielen Fällen lediglich unter Gesichtspunkten von Gefahrenabwehr verhandelt und pädagogisch ausschließlich als potenzielle Täter, bzw. Gefährder angesprochen.   

Für ein Jugendhilfesystem, das Jungen* und jungen Männern* mit Fluchtgeschichte in ihrer Individualität wahrnimmt, ihre Verletzbarkeit sieht und ihnen Angebote zur Teilhabe macht, bedürfte es einer grundlegenden Veränderung der Rahmenbedingungen und damit auch eines Präventionsbegriffs, der junge geflüchtete Männer vor Gefährdungen schützt, anstatt sie zur Gefahr zu erklären.

 

Intervention

Ergänzend zur nötigen Polizei-Kritik sollte die Profession Soziale Arbeit und Jugendhilfe die eigenen Standards und Handlungsroutinen kritisch prüfen, um zukünftig Fälle misslungener Krisenintervention wie beim Tod des 16-jährigen Schwarzen Geflüchteten Mouhamed Lamin Dramé am 08.08.2022 zu vermeiden. 

Es stell sich die Frage: Was sind Probleme in der Jugendhilfe (wie in Wohngruppen) bei Krisenintervention für männliche geflüchtete Jugendliche oder junge Männer* im Kontext von Männlichkeits- und Rassismuskritik? Was braucht die Profession, um die Krisenintervention (z.B. bei Suizidgefahr, evtl. mit Fremdgefährdung) für junge geflüchtete Männer* zu verbessern, auch in Fragen der Kooperation zwischen Jugendhilfe und Polizei? 

 

Aktion

Weiterhin fehlt es vielerorts an Räumen, in denen eine bedürfnis- und subjektorientierte Zusammenarbeit und Besprechbarkeit der individuellen Bedarfe, wie auch persönlichen Fragestellungen der betroffenen Jungen* und jungen Männer* möglich werden. Ebendiese Räume sind allerdings die Grundvoraussetzung für jegliche weiteren Fragen gesellschaftlicher Teilhabe und der Thematisierung demokratischer Bildung. 

Wie können konkrete Aktions-, Organisierungs- und Beteiligungsformen junger männlicher* Geflüchteter aussehen. Wo finden sich Potentiale und Ressourcen, die geflüchtete junge Männer* als selbstwirksam handelnd in den Blick nehmen. Wie können gelingende Ansätze des Empowerments erprobt und implementiert werden?  

Leider sind bereits alle Plätze vergeben.

Zielgruppe

Die Fortbildung ist für Fach- und Lehrkräfte aller Geschlechter ausgeschrieben.

Termin

15. Dezember 2022
09:30 bis 13:00 Uhr

Der Zoom-Raum wird ab 09:15 Uhr zum Technik-Check geöffnet sein.

Ort

online

Teilnahmebeitrag

kostenfrei

Dr. Norbert Pütter

war bis September 2022 Professor für Politische Zusammenhänge Sozialer Arbeit“ an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Er arbeitet als Redakteur der Zeitschrift „Bürgerrechte & Polizei/CILIP“.

Dr. Michael Tunç

ist seit Herbst 2020 als Professor für Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft an der HAW Hamburg tätig. Er promovierte in Erziehungswissenschaften 2016 an der Uni Wuppertal zum Thema Väterlichkeit/Männlichkeit und Migration.

Jonas Lang

ist Sozialarbeiter und Sozialpädagoge in der Kölner Initiative Coach e. V. mit dem Schwerpunkt "Beratung und Einzelfallhilfen für Menschen in Aufenthaltsgestattung und Duldung". Er ist als Bildungsreferent für die LAG Jungenarbeit NRW aktiv.

Mohammed Jouni

ist Vorstand des Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V., Mitbegründer und Aktivist bei “Jugendliche ohne Grenzen” und Referent der politischen Bildung, Diversity- und Empowerment-Trainer.

Angebote